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Leaks zu den TiSA-Geheimverhandlungen (Trade in Services Agreement) aus dem Jahr 2016 lassen erwarten, dass die 2016 beschlossene EU Datenschutzdirektive konterkariert wird. TiSA muss einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden und an die Öffentlichkeit!

Unter dem Titel TiSA (Trade in Services Agreement) laufen geheime Verhandlungen zum grenzüberschreitenden Austausch von Dienstleistungen unter Beteiligung der EU und mehr als 50 Staaten weltweit. Wegen der undemokratischen, geheimen Vorgehensweise ist die Öffentlichkeit auf Leaks zum Verhandlungsstand angewiesen. Solche wurden im Verlauf des Jahres 2016 bekannt (die Verhandlungen begannen bereits 2013) und lassen erwarten, dass die 2016 so erfolgreich beschlossene EU Datenschutzdirektive konterkariert wird (in "Alles über TiSA" gibt es eine übergeordnete Einschätzung zu TiSA, ebenfalls basierend auf den genannten Leaks; auf dem TiSA-Plakat, (erstellt von Mehr Demokratie) sind die wesentlichen Punkte zusammengefasst).

Natürlich kennen wir den endgültigen TiSA-Verhandlungstext noch nicht, trotzdem lassen die Leaks einige Rückschlüsse auf sehr bedenkliche Entwicklungen zu, die unsere digitale Souveränität betreffen.

  1. 1. So untersagt TiSA die Regulierung des Informationstransfers über Ländergrenzen hinweg. Unabhängig vom Ort der Erfassung sollen (auch private) Daten gesammelt, verarbeitet, gespeichert und übertragen werden können.
    Dies steht im klaren Widerspruch zur breit anerkannten EU Datenschutzdirektive 2016/680, die bereits 2016 verabschiedet wurde. Dort werden für personenbezogene Daten von EU-Bürgern klare Vorgaben bez. der Erhebung, Speicherung, Übertragung und Verarbeitung gemacht.
  2. Aufgrund der TiSA-Vereinbarungen können personenbezogene Daten, abhängig von der Lokalität ihrer Verarbeitung, dem Landesrecht des Plattformbetreibers unterliegen.
    Damit wird die europäische Datenschutzdirektive ausgehebelt. Z.B. kann bei Verarbeitung der Facebook-Daten in den USA wiederum amerikanisches Recht gelten.
  3. Der in den Leaks veröffentliche TiSA-Verhandlungsstand zeigt, dass ausländische Anbieter ihren Quellcode nicht offenlegen müssten.
    Damit wird eine Überprüfung von Plattformsoftware oder Sicherheitssoftware, die viele europäische Nutzer betrifft, durch Behörden oder unabhängige Zertifizierungsstellen verhindert.
  4. Die jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) könnten nach TiSA zwischen Plattformbetreibern und Benutzern/Kunden vereinbart werden und unterlägen damit keiner Regulierung. Dazu gehört z.B. auch die Festlegung des Gerichtsstands im Fall von rechtlichen Auseinandersetzungen.
    Lokale Verbraucherschutzorganisationen oder Behörden hätten also keine Möglichkeit, die rechtliche Stellung der Benutzer gegenüber Plattformbetreibern zu verbessern oder unlautere Bedingungen zu unterbinden (z.B. was die Offenlegung von Nutzerdaten betrifft oder deren Weitergabe oder die Festlegung des Gerichtsstands).
  5. TiSA schreibt Technik-Unabhängigkeit bei der Regulierung vor. Das gilt z.B. für elektronische Authentifizierungsverfahren.
    Eine Authentifizierung über von Facebook oder Twitter bereitgestellte Verfahren wäre demnach akzeptabel. Mögliche technische Standards mit einem hohen Sicherheitsniveau auf europäischer Ebene könnten nicht durchgesetzt werden.
  6. Nach heutigem Wissensstand sind in TiSA Internet-Plattformen wie Uber, Facebook etc. nicht ausgenommen und sind damit nicht regulierbar. Auch neue Angebote der sogenannten „Share“-Economy, die heute entweder noch zu neu sind oder erst noch im Entstehen, sind nicht ausgenommen (Negativlistenansatz: nur im Vertrag ausgenommene Softwaredienste können reguliert werden).
    Dies steht im klaren Widerspruch zu anderen Aktivitäten, z.B. zum Ansatz des Weißbuchs des BMWI, wo deutlich gemacht wird, dass auch heutige oder im Entstehen befindliche elektronische Plattformen nicht im freien Rechtsraum bleiben können. Trotzdem sollte es möglich sein, vor einer eventuellen Regulierung erst Erfahrungen zu sammeln und daraus zu lernen. TiSA könnte dieses höchst sinnvolle, evolutionäre Vorgehen unmöglich machen.

Derart weitreichende, völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen, wie sie in TiSA verhandelt werden, sollten einer breiten und öffentlichen Diskussion unterliegen (wie sie z.B. im Prozess zu digitalen Plattformen von der deutschen Bundesregierung angestrebt wird). Freier Handel ja, aber mit klaren Regeln.

Die digitale Souveränität der europäischen Bürger darf nicht auf dem Altar des „Freihandels“ geopfert werden. Unsere (demokratische Entscheidungs-) Freiheit ist durch TiSA gefährdet, ebenso wie die Möglichkeit, aus unseren Daten Werte zu schöpfen.